Oftmals kehren wir von Auswärtsspielen heim, haben vielleicht die drei Punkte mitgenommen, uns aber nicht als Gäste sondern vielmehr als Zahlvieh gefühlt. Ja, der Auswärts-Alltag könnte den geneigten VfB-Fan ohne den nötigen Idealismus schon glauben lassen, daß Menschsein und Fußballbesuche voneinander getrennt sind. In zahlreichen Fällen werden wir vor der Abfahrt zuhause „gezählt & einsortiert“, am Ankunftsort direkt nur zum Gästeeingang manövriert und per Polizeispalier in unseren extra errichteten Käfig mit schlechter Sicht gesperrt. Das Ganze zu „Topspiel-Preisen“ (natürlich auch extra „für uns“), manchmal ohne oder wirklich sehr schlechten Toiletten, einem Minimalangebot in puncto Verpflegung (Vegetarier gehen meistens auch noch leer aus.) und jedem Wunsch nach Bewegungsfreiheit wird schroff begegnet. Zusätzlich ist es immerzu eine Ratespiel, welche Dinge (Zaunfahnen, Doppelhalter, Trommeln etc.) scheinbar willkürlich mal wieder aus dem Katalog des Erlaubten rausgewürfelt wurden. Diese Aufzählung könnte noch unermesslich in die irrwitzigsten Details gehen, bei denen jeder Normalbürger eine solche Behandlung wegen Unvorstellbarkeit als unmöglich erachten würde. Und leider wird es niemals besser, sondern stets schlechter.
Niemals? Nein, wir möchten dann doch auch die seltenen positiven Ausnahmen erwähnen. Ein solcher „Sonderfall“ lief uns am letzten Ligaspieltag im kleinen Örtchen Ramlingen (Nähe Burgdorf/Hannover) über den Weg. Zwar hätte gerade der RSE gemessen an der Logik mancher Ordnungshüter Grund genug gehabt, uns in „Sicherheitsverwahrung“ zu nehmen und vielleicht hätten das auch der eine oder andere gerne gesehen, denn immerhin lief ein entscheidendes Ligaspiel vor wenigen Jahren mit 1500 enttäuschten VfB-Fans etwas unschön aus dem Ruder. Aber bei unserer sehr frühen Ankunft war anfangs kein Polizist oder Ähnliches weit und breit zu sehen und sämtliche Businsassen waren baff, daß wir uns tatsächlich frei bewegen durften. Das trug sehr zu einer positiven Grundstimmung bei. Zwar wurden wir obligatorisch am Eingang abgetastet, aber selbst hier begegneten uns die Ordner sehr freundlich. Nach der Eingangskontrolle mußten wir nicht einen Weg hinter irgendwelche Zäune antreten, sondern konnten uns im kompletten (öffentlichen) Areal des RSE inklusive Clubheim bewegen. Das eröffnete endlich mal allen (!) Besuchern des Spiels, das gesamte kulinarische Angebot zu geniessen. Und das war reichlich und herzlich! Neben Pommes (z.B. eben für Vegetarier) gab es mehrere (sehr leckere) Sorten Kuchen & Torte, Eis, Kaffee (Daß das mal was Besonders sein würde…) für sogar wenig Geld. Tische, Bänke & Gartenstühle zum gemütlichen Niederlassen und dadurch auch mal wieder die Möglichkeit, mit Einheimischen über Fussball fachzusimpeln. Parallel spielten einige Oldenburger mit Ramlinger Kindern auf einem Nebenplatz Fussball, es wurde geschaukelt (!) und die dann doch anwesenden Polizisten daddelten in ihren Bullis Nintendo oder stillten auch ihren Hunger. Das ganze ungewohnte Szenario schien wirklich allen Mitgereisten ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern und so unbedrängt gestimmt verliefen auch weite Strecken des Spiels, obwohl sich unser Team sehr schwer tat. Es gab lediglich eine kurz hochkochende emotionale Situation, als sich nach permanentem Anrennen des VfB einige zweifelhalfte Schiedsrichter-Entscheidungen häuften (Ansonsten war heute sogar das Schiedsrichter-Gespann ordentlich). Doch auch hier war die Lage schnell wieder beruhigt und am Ende war sowieso alles Erfüllung.
Nachdem alle nach dem Abpfiff inklusive spätem 4:2-Sieg wieder auf den Boden kamen und den Fussballtag als etwas Besonderes verarbeiteten, verlief auch die Abreise sehr entspannt. Sogar gegenseitiges verabschiedendes Winken mit einigen abwandernden RSE-Fans aus dem Bus war zu beobachten. Und wir mußten später nicht an einer überteurten Rastsstätte halten, da alle bereits in „guter körperlicher Verfassung“ waren. Dieser harmonische & vorallem freie Nachmittag wird wohl vielen noch länger in Erinnerung bleiben.
Dafür möchten wir auch mal ‚Danke‘ an die beteiligten Verantwortlichen sagen. Schön, daß es noch Vereine gibt, die sich nicht von der unnatürlich überzogenen Hysterie anstecken oder überreden lassen, Fussballfans seien als Verbrecher zu behandeln. Heute durften wir ausnahmsweise (?) wieder Mensch sein. Und ich glaube, das hat sich auch für den RSE in mehrfacher Hinsicht ausgezahlt. Zur Nachahmung definitiv empfohlen!
Wenn man Menschen nicht in Ketten legt…