Fankongress ’14 in Berlin

Fankongress 2014: „Im Schatten der Großen“

Wie Fans den Fußball wollen.

Freitag, 17. Januar, 18.30h Fan Projekt Oldenburg
Mit den „fröhlichen Aufständigen“ im Gepäck ging es los im T4 Richtung Hauptstadt. Wo einst Honecker & Mielke sich die Propagandafilmchen im Vorzeige Kino der ehemaligen DDR anschauten und sich selbst bei Club-Cola feierten, wollten wir nun morgen (fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung) am bundesweiten „Fankrongress 2014 – Fanfreundliches Stadionerlebnis: Wie Fans den Fußball wollen“ im Ostteil der Hauptstadt teilnehmen und unseren Freunde aus Göttingen bei der Initiative „Glotze aus-Stadion an“ im Markt der Möglichkeiten supporten. Wir, eine kleine aktive Fanszene aus dem Nordwesten der Bundesrepublik, die sich aus dem „Non + Ultra“ zusammensetzt.

Am Abend gegen 23h kehrten wir dann via Warschauerstrasse im Hostel und bei Verwandten ein. In diesem schönen Bezirk Friedrichshain musste man einfach noch das Nachtleben erkunden, mit dem festen Vorsatz die landestypischen Hipster Kneipen nicht aufzusuchen. Gesagt, getan, Prost! Aus dem einen Gerstensaft der Gemütlichkeit, wurde es dann doch wieder 4…Uhr.

Samstag, 18. Januar, 9.00h, Karl- Marx-Allee, Kosmos Berlin
Wir standen vor dem heutigen Veranstaltungszentrum und nur drei von fünf kamen rein. Was war los? Das erinnerte so ein wenig an früher, nur wir wollten doch rein und nicht raus!? Jetzt wussten wir auch warum es auf unsere Anmeldung via Onlineformular keine Bestätigung gab. Eine freundliche junge Dame am Empfang bat uns höflich ein Stündchen zu verweilen, aus der Erfahrung vom letzten Kongress sagt immer noch jemand kurzfristig ab. Also gingen wir zu zweit die Karl Marx Allee bei Sonnenaufgang mit Blick auf den Alex ein Stückchen runter um in einem kleinen Berliner Café unser Frühstück einzunehmen. Nachdem wir uns gestärkt hatten, aber nicht wirklich fit waren kam ein Anruf und eine aufgeregte Stimme sagte: „Wo seid ihr?“ – „In der Nähe“ antworteten wir. „Könnte jemand von euch um 11.15h spontan an einer Podiumsdiskussion teilnehmen?“ wurden wir darauf gefragt. „Dafür müsste uns jemand Einlass gewähren“ gaben wir zu bedenken. „Wird geklärt, kommt bitte zum Eingang“. Ok, jetzt wurden wir ein wenig wacher und die Vorhersage der jungen Dame am Empfang sollte sich bewahrheiten. Geschafft, wir waren drin.

Schnell noch in den Großen Saal zur offiziellen Begrüßung und dann ging es auch direkt weiter in den Markt der Möglichkeiten um endlich Dirk, den Initiator der „GaSa-Initiative“ kennenzulernen. Bisher kannten wir uns über ein halbes Jahr nur aus dem“ world-wide- web“ und tauschten dort fast täglich Informationen über die Initiative aus. Er erklärte uns den weiteren Ablauf am Tag und am Stand. Passt, dachten wir und gingen weiter in Saal 5 wo wir Jörn von der Violet Crew aus Osnabrück trafen. Er wirkte erleichtert, dass die Podiumsdiskussion jetzt doch noch stattfinden kann und bedankte sich für das spontane Einspringen.

Samstag 11.15h, Saal 5:
Abseits der DFL: Probleme im Schatten der „Großen“
„(A)mateure Raus? Zu der Notwendigkeit einer eigenen Reserverunde“
In diesem Themenstrang ging es um die U23-Teams der Bundesligisten. Wie verträgt es sich da, dass diese Reserveteams um die Aufstiegsplätze munter mitmischen – sind die „Amateurteams“ Bedrohung oder Bereicherung im oftmals tristen Ligaalltag?
Vorab gab es einen Vortrag von Jörn: „Chronik – Amateurteams raus aus Liga 3! Ein Kampf gegen Windmühlen?“ Mit gutem Bildmaterial zeigte er in seinem Vortrag die Probleme auf, die Reserveteams mit sich bringen und was bisher in Osnabrück von der Fanszene getan wurde, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Darauf folgte Jens Weber vom Fanzine „schwatzgelb.de“ aus Dortmund mit seinem Vortrag, der für die Teilnahme der Reserveteams am normalen Spielbetrieb ist. Derweil warteten wir am Rand des Podiums mit Daniel vom „Ultra`Kollektiv Lübeck“ auf unseren Auftritt.

Dann ging es auf das Podium und uns gegenüber war Jens Weber, der mit guten Argumenten begonnen hatte. Wunderbar, dachte ich – da sitz uns einer gegenüber der bei einem Reserveteam mal eben 2000 Fans oder mehr mobilisiert und dem sollen wir jetzt sagen warum Zweitvertretungen im normalen Spielbetrieb nichts zu suchen haben. Jetzt waren wir angekommen – „im Schatten der Großen“.

Zuerst stellte Daniel den Ligaalltag aus Lübeck vor, schließlich musste man aufgrund der Insolvenz gerade erst absteigen. Nicht schön, was da von der Lohmühle berichtet wird und das in Zeiten, wo Retortenclubs wie Unkraut aus dem Boden sprießen. Danach referierte ich kurz von unsere Erfahrungen aus dem Nirvana des Fußballs in der 4. Liga mit Beispielen aus Braunschweig II, Hannover II. & Hamburg II. In der darauf folgenden Debatte ging es Schlag auf Schlag. Applaus für beide Seiten aus dem Publikum und auf einmal entwickelte sich eine sehr emotionale Diskussion, wo sich dann auch die Zuhörer aus dem Saal immer mehr integrierten. Interessant waren dann die Einblicke, wie der Ligaalltag in der Bayernliga oder in NRW aussieht. Vertreter der Fanszene des Bonner SC gaben an, das man sich bei Ihnen über die kleinen Derbys gegen die II. Mannschaften immer besonders freut in der Saison. Fans von 1860 und Bayern München erzählten, das bei ihnen in der Liga niemand Aufstiegsambitionen hat bis auf die Reserveteams. Das „Streitgespräch“ entwickelte sich zu einer lebendigen, kontroversen Debatte, an der sich alle im Saal und auf dem Podium gut beteiligt haben. Auch hier gilt, wie überall, es darf nicht pauschalisiert werden. Die Probleme der einzelnen Amateurligen müssen differenziert betrachtet werden. Bei einem waren sich alle einig: Es besteht ein dringender Reformbedarf in den unteren Ligen. Eine Lösung mit der alle zufrieden sind, konnten wir allerdings nicht präsentieren. Nach 65 Minuten läutete Jörn den Kong zum Mittagessen. Wir haben gerne an der Podiumsdiskussion teilgenommen und wenn wir nochmal dürfen sind wir beim nächsten Mal auch besser vorbereitet, um eine noch bessere Struktur miteinbringen zu können. Anschließend wurde in kleiner Runde mit Vertretern von 1860 München & Victoria Hamburg im Markt der Möglichkeiten über die gerade beendete Podiumsdiskussion gemeinsam rezensiert.

Samstag, 11.15 h, Saal 2
Wenn Regeln unglaubwürdig werden: Verrät der Fußball seine Werte?
In dieser Veranstaltung wurde vor allem die „50+1 Regel“ diskutiert. Es wurde deutlich, dass sowohl die Fanvertreter, als auch die DFL sich für den Erhalt dieser Regel einsetzen wollen. So soll verhindert werden, dass die Fußballvereine zum Spielball von Investoren werden, die die Vereine zu Marketingzwecken einsetzen (wie z.B. beim VfL Wolfsburg oder bei RB Leipzig). Die Diskussion zeigte aber auch, dass Investoren immer öfter versuchen diese Regel zu umgehen, da Formulierungen wie z.B. „Über Ausnahmen vom Erfordernis einer mehrheitlichen Beteiligung des Muttervereins nur in Fällen, in denen ein Wirtschaftsunternehmen seit mehr als 20 Jahren vor dem 1.1.1999 den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat, entscheidet der Vorstand des Ligaverbandes.“ sehr flexibel auszulegen sind. Aus diesem Grund ist die DFL dabei die „50+1 Regel“ noch mal zu überprüfen, um solche juristischen Schlupflöcher zu schließen.

Samstag, 14:00 – 16:30 Uhr „Markt der Möglichkeiten: Glotze aus – Stadion an“

Nach der Mittagspause und bis dahin sehr gut geführten Gespräche mit Fans aus dem gesamten Bundesgebiet, lösten wir Dirk vom „GaSa“ Stand im Markt der Möglichkeiten ab. Mit Sammy aus Hamburg (Supporter von HSV Barmbek-Uhlenhorst) lernten wir einen weiteren Mitstreiter der Initiative kennen. Dabei wurden uns interessante Eindrücke aus der Oberliga Hamburg geschildert. Der Stand war nicht so hoch frequentiert, da in den umliegenden Räumen des Runds diverse Veranstaltungen abgehalten wurden. So konnte der Nachmittag ganz „chillig im Kosmos“ genossen werden um sich rechtzeitig ein Stück gefrorenem Kirschkuchen vom Kaffee-Büffet zu sichern. Wir tauschten uns weiter über den jeweiligen Stand der Initiative und die anstehenden Aktionen im laufenden Jahr aus. Bitte Vormerken: „Non League Day – Tag der Amateure“ nach britischen Vorbild, voraussichtlich im Herbst.

Samstag, 14:15h, Saal 4
Auswärtsspiel: Das so genannte „St. Pauli-Modell“ – eine Chance für Selbstregulierung oder plumper Erpressungsversuch?

In der Diskussion um das „St. Pauli-Modell“ ging es darum, wie man Auswärtsfans das Mitbringen von Fanutensilien erleichtern kann. Beim „St. Pauli-Modell“ wird Gästefans erstmal grundsätzlich alles an Materialien erlaubt, was nicht laut Stadionordnung verboten ist. Kommt es dann aber zu Verstößen gegen die Stadionordnung durch die Gäste, dann gibt es beim nächsten Besuch des Vereins Einschränkungen bei Materialien. Während der Diskussion zeigte sich, dass das Modell bei seiner Einführung von Fans sehr begrüßt wurde. Mit der Zeit stellte sich aber heraus, dass das Modell nach einem einmaligen Verstoß nur zu noch mehr Pyrotechnik führte und deshalb auch nicht die optimale Lösung für Fans und Vereine darstellte. Der Vorschlag eine bundesweit, einheitliche Regelung für Fahnen, Doppelhalter, usw. einzuführen, wurde schnell mit der Begründung abgelehnt, dass es so nur, durch Druck der Polizei, zu Verschlechterungen der Bedingungen für Auswärtsfans kommen kann. Es muss also jeweils vor Ort in Zusammenarbeit von Verein, Ordnungsdienst und Fans versucht werden die Bedingungen für Gästefans zu verbessern. Dazu gehören nicht nur die Regelungen über Anzahl und Länge der Fahnen und Doppelhalter, sondern auch ein qualifizierter Ordnungsdienst und die rechtzeitige Genehmigung von Choreographien.

Samstag, 16.15h, Saal 1
Podiumsdiskussion: „Fußballfans und die Polizei: getrennt in den Farben, getrennt in der Sache?“
Zu diesem Punkt der Tagesordnung fanden wir uns schon früh in den vorderen Reihen im großen Saal ein. Dass dieses spezielle Thema den Saal fast aus allen Nähten platzen ließ, versteht sich von selbst. Der Andrang war groß und vielen ist es im Anschluss vielleicht wie uns gegangen:

Erwarte nichts und du kannst nicht enttäuscht werden. Vieles könnten wir hier dazu schreiben, was gesagt und was nicht gesagt wurde oder über die Absage von NRW Innenminister Ralf Jäger. Dann würden wir uns aber genauso im Kreis drehen wie die Teilnehmer der Podiumsdiskussion zu diesem Thema. Danke an Hans Ulrich Hauck und Bernd Heinen von der Polizei die sich der Diskussion stellten. Wichtig ist und das sei gesagt, der Dialog muss in Zukunft weiter von allen gesucht und geführt werden. Beide Seiten sollten vielleicht erst Selbstreflexion über die eigenen, begangenen Fehler der Vergangenheit betreiben. Dies wäre eine gute Voraussetzung dafür, dass beide Parteien eine konstruktive Diskussion auf Augenhöhe führen können. Denn nur dadurch kann schließlich der gegenseitige Respekt ohne Vorurteile auch im Umgang miteinander vor, während und nach dem Fußballspiel erhalten bzw. wiederhergestellt werden.

Sonntag, 19. Januar,11.15h Saal 1
Podiumsdiskussion: Auf den Rängen: Hier bestimmen wir!
Grenzen und Chancen von Selbstregulierung in Bezug auf Anti-Diskriminierung
Hier hatten wir eine hitzige Debatte erwartet. Allerdings wirkte es so, als wären wir nicht die einzigen gewesen die in der Nacht zuvor die berühmt-berüchtigten „Kreuzberger Nächte“ in Berlin zelebriert haben. Aber ob nun der Schlafmangel wirklich die Ursache für die weniger kontrovers geführte Diskussion war, bleibt dahingestellt. Es hätte bei dieser Debatte, selbstverständlich auf sachlicher Ebene, ruhig etwas engagierter zugehen können.

(Quelle/Auszug aus dem Ticker: http://www.fankongress.de/ticker/ticker-begruessung-sonntag/) :

11.17h – Jan Tölva eröffnet die Podiumsdiskussion mit der Frage, was für den jeweiligen Teilnehmer Politik sei. Simon Müller von den Schickeria München sagt, dass Politik sei, dass man gemeinsam auf dem Fankongress beisammen sitzt, dass Gruppen sagen wie man sich positioniert sei Politik. Daniel Lörcher sagt, dass es wichtig sei, dass sich Vereine auch politisch engagieren. Dass Vereinsvertreter politisch klare Statements abgeben und abgeben müssen. Der Vertreter der Fanszene des SV Babelsberg definiere sich klar als politische Fanszene, da es keinen politikfreien Raum gäbe. Wenn man sich gegen jegliche Diskriminierungsformen auflehne, sei das jedoch keine Politik sondern Teil der Grundwerte. Den “politikfreien Raum Stadion” gebe es nicht.

12:19 – Ein Fanvertreter von Halle meldet sich zu Wort und sagt, dass es in Halle seit acht Jahren keine politischen Statements im Stadion gibt. Man solle akzeptieren, dass es einen Standpunkt im Stadion gebe, der unpolitisch ist.

Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit sich von Gewalt, Rassismus, Sexismus und Homophobie zu distanzieren. Dabei geht es uns nicht darum jeden in unserer Kurve zum Linksaktivisten zu bekehren, sondern um ein grundsätzliches Verständnis der Gemeinschaft, die nur im gegenseitigem Respekt und Toleranz funktionieren kann.
Aktive Gruppen die sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung einsetzten, müssen viel mehr von Vereinen, Verbänden & Institutionen gefördert und nicht wie z.B. in Braunschweig mit einem Stadionverbot belegt werden. Das sind die falschen Signale. Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg.

Wir werden in Oldenburg weiter unsere Kurve offen und bunt gestalten in der sich jeder Wohlfühlt und willkommen ist. Da Rassismus diese Toleranz jedoch nicht aufbringt, findet dieser bei uns keinen Platz – Nazis Raus!

Nach dieser Veranstaltung stärkten wir uns für die Rückfahrt noch am Mittagsbüffet und verabschiedeten uns von Dirk am „Glotze aus, Stadion an“ Stand im Markt der Möglichkeiten. Gut gelaunt ging es um 14.30 Uhr zurück in die Huntestadt. Auf der Rückfahrt haben wir dann gemeinsam das Wochenende und die vielen Eindrücke vom Kongress reflektiert. Die vielen positiven Impressionen werden wir bei uns weitertragen. Wir konnten uns sehr gut mit Vertretern aus anderen Teilen der Bundesrepublik in Gesprächen austauschen und haben somit auch unseren eigenen „Regionalligahorizont“ erweitern können. Wir grüßen München, Hamburg, Osnabrück, Göttingen, Siegen, Berlin und alle anderen die mit uns ein tolles Wochenende auf dem Fankongress 2014 verbracht haben. So wünschen wir uns den Fußball!

Bei einigen Themen besteht noch (dringend) weiterer Gesprächsbedarf und an diesem Dialog miteinander sollte auch in der Zukunft festgehalten werden, denn wie sagt eine alte Diplomaten-Weisheit: „Solange geredet wird, wird nicht geschossen“.
Gegen 20 Uhr sind wir erschöpft und glücklich wieder in Oldenburg angekommen.
Wir bedanken uns beim gesamten Organisationsteam für die professionelle Arbeit und den reibungslosen Ablauf am Wochenende in Berlin. Wir haben uns rundum sicher und wohlgefühlt im „Schatten der Großen“.

Oldenburger Faninitiative (Jan Eric & Tamer)